Investieren in Thailand – jetzt erst recht?

Thailand, eines der wichtigsten deutschen Investitionsziele in ASEAN, wird derzeit in der deutschen Öffentlichkeit mit Militärherrschaft, Demokratiedefiziten und Gefahren für Investoren in Verbindung gebracht. Ist dies wirklich der Fall? Oder ist es wegen der Einführung der ASEAN Freihandelszone (ASEAN Economic Commu-
nity, AEC) gerade jetzt vorteilhaft für Investoren, zu günstigen Konditionen in einen Schlüsselmarkt einzusteigen?

Thailändische Konstanten

Die New York Times schreibt: “… Even before the curfew took effect on Wednesday night, Bangkok had the atmosphere of a city at war, with virtually all shops, restaurants, theatres and businesses shuttered. People hid in their homes, hoping that food would hold out until the market reopened. In a city of 10 million people and 2 million cars, where traffic congestion is as bad as anywhere on earth, there were almost no cars or trucks on the streets. Bus services halted on Government orders. Only a few gasoline stations stayed open. Through out the day and into the night, volleys of gunfire from automatic rifles could be heard as soldiers, some in civilian clothes, tried to chase down and often to beat anyone associated with the protests…”

Diese Zeilen klingen nicht nur dramatisch, sie sind es auch. Allerdings stammen sie nicht aus den heutigen Tagen, sondern sind vom 21. Mai 1992, jenem Monat, der als „Schwarzer Mai“ in die Annalen eingegangen ist. Was in den zwei Jahrzehnten danach geschehen ist: Thailands Wirtschaft boomte, das BSP/Kopf stieg von 1.914 USD p.a. (1992, inflationsbereinigt) auf über 5.600 USD p.a. (2013), die Asienkrise 1997 wurde überwunden und Thailand überschritt die Schwelle zu einem Industrieland. Das heutige Thailand steht wirtschaftlich deutlich besser da als jemals zuvor in seiner Geschichte.

Der Rückblick auf die überaus blutigen Ereignisse des Jahres 1992 macht deutlich, dass es in der thailändischen Geschichte schon oft kritische Punkte gegeben hat. Diese konnten jedoch den wirtschaftlichen Wachstumspfad kaum beeinträchtigen und die Entwicklung zu einer pluralistischen Demokratie trotz einiger Rückschläge nicht aufhalten. Tatsächlich hat sich gerade in den letzten Jahren die thailändische Zivilgesellschaft bemerkenswert entwickelt: Waren politische Diskussionen noch vor zwei Jahrzehnten nur auf einige Intellektuelle und vielleicht noch die obere Mittelschicht beschränkt, so sind spätestens seit Taksin Shinawatra und seiner populis-
tischen Thai-Rak-Thai-Partei hitzige politische Auseinandersetzungen in der breiten Masse der Bevölkerung zu verzeichnen, welche teilweise ganze Familien entzweien.

Manche Beobachter sehen darin einen Kampf der alten Eliten gegen die neuen, andere einen Konflikt der Landbevölkerung gegen die Metropole, wieder andere re-
gionale Disparitäten. Die wahren Ursachen werden irgendwo dazwischen liegen.

Auswirkungen der Machtübernahme

Doch welche Auswirkungen haben die jetzigen politischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Veränderungen auf ausländische Investoren? Ist Thailand für Investi-
tionsprojekte noch ein sicherer Hafen? Oder sind andere Länder in der ASEAN-Region dem Königreich inzwischen vorzuziehen? Fakt ist, dass mit der Übernahme der Amtsgeschäfte und Verhängung des Kriegsrechts am 20.5.2014 durch das Militär zunächst einmal verhältnismäßig Ruhe im Land eingekehrt ist. Hinter vorgehaltener Hand begrüßt ein Großteil der Business Community in Thailand die Regierungsübernahme durch das Militär.

Das National Council for Peace and Order unter General Prayuth Chan-ocha war sich von Anfang an der Signalwirkung dieses für viele westliche Staaten befremdlichen Putsches sehr wohl bewusst. Deshalb beinhaltete die kurze Zeit darauf erfolgte Verlautbarung neben der Beteuerung, mittelfristig wieder demokratische Institutionen zu installieren, eine Vielzahl wirtschaftspolitischer Vorhaben, die auf Liberalisierung und Investitionsförderung abzielten.

Später wurden diese konkretisiert, z.B. Steuersenkungen für Arbeitnehmer und Firmen, die Stimulierung der Exporte und die beabsichtigte Restrukturierung von Staats-
betrieben. Inwieweit alles in die Tat umgesetzt werden kann und wie sich die Unterstützung der Bevölkerung entwickelt, ist sicherlich noch offen. Allerdings rechnet die Bank of Thailand jetzt mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent für das Jahr 2015, was zwar unter der April-Schätzung der Weltbank von 4 Prozent liegt, aber dennoch ein Hinweis darauf ist, dass die wirtschaftlichen Perspektiven positiv bleiben.

Industrienation Thailand

Thailands Integration in ASEAN

Ohnehin hat sich Thailand mit seinen etwa 68 Millionen Einwohnern in den letzten drei Jahrzehnten zu einem „Boomland“ in ASEAN entwickelt. Die günstige Lage im Herzen Südostasiens, zwischen China und Indien, macht es dem Königreich leicht, sich wirtschaftlich in diese Zusammenhänge einzufügen. Aus der Asienkrise 1997 gestärkt hervorgegangen, ist Thailand trotz seiner politischen Probleme nach wie vor dabei, zu einer der führenden Nationen Südostasiens aufzusteigen. Thailand hat längst zu den Industrienationen aufgeschlossen und verfügt über eine exzellente Infrastruktur, die in der ASEAN Region ihresgleichen sucht. Forschungs-, Bildungs- und Innovationssysteme entwickeln sich gut, erkennbar u.a. am Bedeutungsgewinn von Investitionen, R&D und Hochschulabsolventenzahlen.

Fünf strategische Cluster

Ein Spezifikum des thailändischen Systems und seine große Stärke ist die bedeutende Rolle der Privatindustrie. Die Anstrengungen nationaler und multinationaler Firmen im Forschungsbereich gerade technisch anspruchsvoller Felder sind zunehmend sichtbar. Thailand legt ein besonderes Augenmerk auf fünf strategische Cluster: Automobilindustrie, Lebensmittelindustrie, Tourismus, Textilindustrie und Softwareentwicklung.

Dennoch ist es für „Newcomer“ nicht einfach, in einem derartigen, schon etablierten Umfeld Fuß zu fassen: Ohne fundierte und sachkundige Unterstützung laufen geschäftliche Aktivitäten in Thailand allzu leicht Gefahr, zu einem finanziellen Desaster zu werden. Dies gilt vor allem bei der Auswahl der richtigen strategischen Partner in Thailand. Daran hat auch der Militärputsch nichts geändert.

Wichtigste Rechtsgrundlage für Investoren bleibt nach wie vor der „Foreign Business Act“ von 1999. Hier sind Marktzugang und Investitionsgrundsätze festgehalten, welche die Investoren berücksichtigen müssen, um in Thailand erfolgreich zu werden. Staatlicherseits bietet bei allen Investitionsvorhaben das 1959 gegründete und seit 1975 mit einem Büro in Deutschland vertretene thailändische Board of Investment (BOI) Unterstützung an.

Heute bilden das BOI-Büro in Frankfurt am Main und die in Berlin ansässige Dependance des thailändischen Department of Export Promotion das Thai Trade Center. Dass die Frankfurter Niederlassung eines der nur 14 Überseebüros der Behörde ist, demonstriert einmal mehr die Bedeutung Deutschlands im wirtschaftspolitischen Konzept der Thais. In den letzten zehn Jahren begleitete das Frankfurter BOI-Büro mehr als 800 FDI-Projekte mit einem Volumen von über acht Milliarden Euro. Das Handelsvolumen mit Deutschland beträgt über acht Milliarden Euro p.a..

Die deutsch-thailändischen Beziehungen, deren 150-jähriges Jubiläum 2012 gefeiert wurde, sind traditionell eng und bieten ebenfalls gute Ansatzpunkte für gemein-
same Projekte.

Investieren in Thailand?

Nach Ansicht der thailändischen Botschafterin in Deutschland, Nongnuth Phetchartana, stellt die aktuelle Situation ein temporäres, nicht aber ein strukturelles Problem für Investoren in Thailand dar. Auch für Außenstehende sind die wirtschaftlichen Fundamentaldaten nach wie vor vielversprechend. So eröffnen sich gerade jetzt Chancen für Investoren, da die thailändische Seite sowohl was Geschäftspartner als auch was staatliche Stellen angeht, auf ihrer Suche nach wirtschaftlicher Koopera-
tion eher zu Konzessionen bereit sein dürfte als dies in Zeiten ruhigeren politischen Fahrwassers der Fall ist.

Gerade vor dem Hinblick der ASEAN-Freihandelszone (ASEAN Economic Community, AEC 2015) wird das wirtschaftlich starke Thailand sicher wieder eine Führungs-
rolle übernehmen. Dies ist vorteilhaft für Investoren, die von Thailand aus andere Märkte in ASEAN und darüber hinaus erschließen wollen. Die Herrschaft der Militärs wird dabei nur ein kurzes Intermezzo bleiben.

 

 

 

Dr. Andreas Stoffers

Mit umfangreichen Managementerfahrungen in diversen Bereichen und als langjähriges Geschäftsleitungsmitglied Deutsche Bank Vietnam ist Dr. Andreas Stoffers nun Geschäftsführer und Gründer der ASEAN Business Partners GmbH.

andreas.stoffers@asean.bp.com