AG Infrastruktur Asien-Pazifik: Kick-off Event mit dem chinesischen Botschafter bei SIEMENS

Das Event diente als Auftaktveranstaltung der neuen „Arbeitsgruppe Infrastruktur Asien-Pazifik“ des OAV.

06.03.2017

Am 20. Februar 2017 lud der OAV zur Kick-Off-Veranstaltung der „Arbeitsgruppe Infrastruktur Asien-Pazifik“ mit dem chinesischen Botschafter bei der SIEMENS AG in München ein. Das Event diente als Auftaktveranstaltung der neuen „Arbeitsgruppe Infrastruktur Asien-Pazifik“ des OAV. Die gewählten Themenschwerpunkte für die erste Sitzung waren die One-Belt One-Road-Initiative der Volksrepublik China sowie Perspektiven für deutsch-chinesische Kooperationen im Bereich Infrastruktur.

Die Veranstaltung wurde moderiert vom OAV-Präsidiumsmitglied Herr Dieter Ernst, welcher die 30 Teilnehmer begrüßte. Herr Ernst wies in seinem Grußwort auf die große Bedeutung des Themenkomplexes Infrastruktur hin – insbesondere mit Blick auf den asiatischen Kontinent. Viele asiatische Länder stünden vor riesigen Herausforderungen. Die unzureichende Verkehrsinfrastruktur sowie eine mangelhafte Energieversorgung erschweren das Engagement ausländischer Unternehmen und hemmen eine schnellere wirtschaftliche Entwicklung. Diesen Herausforderungen wolle der OAV mit der Einrichtung einer neuen „Arbeitsgruppe Infrastruktur Asien-Pazifik“ Rechnung tragen.

Gastredner der Sitzung war S.E. Shi Mingde, Botschafter der Volksrepublik China in Deutschland. Der Botschafter gab zunächst ein Update zu den chinesisch-amerikanischen Beziehungen und wies darauf hin, dass man die derzeitigen Entwicklungen in den USA mit einer gewissen Gelassenheit beobachte. Chinas Investitionen in den USA seien ebenso groß wie die US-amerikanischen Investments in China und man sei in wirtschaftlicher Hinsicht zum gegenseitigen Vorteil stark verwoben. Eine Änderung dieses Verhältnisses sei weder im US-amerikanischen noch im chinesischen Interesse. China befürworte weiterhin multilaterale Prinzipien, offene Märkte und liberalen Handel und betrachte die weltweiten Entwicklungen in Richtung Isolation und Protektionismus als falsch.

Anschließend gab der Botschafter einen Überblick zu den Planungen der Neuen Seidenstraße sowie möglichen Bereichen der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China. Über 100 Länder und Organisationen hätten sich seit der Gründung der Initiative im Jahr 2013 bereit erklärt, sich am Bau der Neuen Seidenstraße zu beteiligen. Mit 40 Ländern bestünden Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und gegenseitigen Vernetzung. Der Aufbau der Verkehrsinfrastruktur gelte dabei als zentrales Vorhaben. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) schätze den jährlichen Bedarf an Finanzmitteln zum Ausbau der Infrastruktur in Asien auf 730 Milliarden US-Dollar. China habe sich daher dazu entschieden, die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) zu gründen, da die Finanzmittel der bestehenden Entwicklungsbanken (z.B. World Bank, ADB) allein nicht ausreichen würden. Die AIIB zähle mittlerweile mehr als 70 Mitglieder, mit Deutschland als größtem Anteilsgeber außerhalb Asiens. Der Botschafter betonte, dass die AIIB als Ergänzung bestehender Institutionen nach UN-Richtlinien aufzufassen sei und nicht als geostrategisches Instrument der Volksrepublik.

Danach hob der Botschafter die enormen wirtschaftlichen Chancen des Ausbaus der Neuen Seidenstraße hervor. Die ersten Zugverbindungen zwischen der EU und China wurden im Jahr 2008 aufgenommen und hätten sich bis 2016 mehr als verdoppelt (+108%). 1072 Züge fuhren im vergangenen Jahr zwischen der EU und China, davon 400 nach Deutschland. Die Anzahl der transportierten Container solle von 30.000 im Jahr 2016 auf 100.000 im Jahr 2020 zunehmen. In diesem Zusammenhang könne man auch den Güterverkehr zwischen beiden Kontinenten noch deutlich verbessern. Zurzeit seien 100% der Züge von China nach Deutschland ausgebucht, umgekehrt seien die Züge aus Deutschland nach China jedoch nur zur Hälfte belegt. Hier böten sich Joint-Ventures an, um die Preisbestimmung künftig flexibler zu gestalten.

Zudem betonte der Botschafter, dass weiteres Potential für die deutsch-chinesischen Beziehungen im Bereich „Drittmarktkooperationen“ zu sehen sei. Bisher agierten Deutschland und China in vielen Bereichen als Wettbewerber, was sich nun ändern solle. Gemeinsam hätten beide Länder bei internationalen Ausschreibungen deutlich mehr Durchschlagskraft, z.B. in den Bereichen Hochgeschwindigkeitszüge oder E-Mobility. Drittens wäre auch ein Finanzdialog zwischen Deutschland und China denkbar, bei welchem die Bereitstellung von Finanzen für gemeinsame Projekte entlang der Seidenstraße diskutiert werden könnte.

Im zweiten Vortrag des Tages schilderte Herr Dr. Roland Busch, CTO und Mitglieds des Vorstands der Siemens AG sowie Präsidiumsmitglied des OAV, die Chancen im asiatischen Infrastruktursektor aus der Sicht seines Unternehmens. Die Urbanisierung – insbesondere in Asien – sei der wesentliche Wachstumstreiber der nächsten 20 Jahre. Dabei nannte er den Verkehr und intelligente Mobilitätslösungen als größte Herausforderungen, welchen sich Siemens in besonderem Maße widme.

Weiterhin stellte Herr Dr. Busch die Bedeutung der Digitalisierung heraus. Die zunehmende Vernetzung von Industrien (Stichwort Internet der Dinge), so auch in der Verkehrsinfrastruktur sei momentan ein Schwerpunkt, auf welchen sich Siemens konzentriere. So seien Verkehrsleitsysteme, welche durch künstliche Intelligenz selbst lernen, mittlerweile keine Zukunftsmusik mehr. Zudem sah Herr Dr. Busch große Chancen in den Bereichen E-Mobility und Car-Sharing, welche in der Zukunft eine deutlich größere Rolle spielen werden. Des Weiteren werden insbesondere energiebezogene Themen an Relevanz hinzugewinnen: von der Energieerzeugung und –verteilung bis hin zu Energie- und Ressourceneffizienz.

Erste Sitzung der „Arbeitsgruppe Infrastruktur Asien-Pazifik“
Nach den Vorträgen trafen die Teilnehmer zu der ersten Sitzung der AG Infrastruktur zusammen. In der Sitzung sollte die Frage diskutiert werden, wie die Arbeit der Arbeitsgruppe in Zukunft auszusehen habe, welche Erwartungen die Unternehmen an die Initiative stellen und welche Ziele hierbei als realistisch erachtet werden.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass die größte Herausforderung für die deutsche Industrie darin besteht, dass diese bei internationalen Ausschreibungen für große Infrastrukturprojekte in der Regel das Nachsehen hat, da sie über keine Generalunternehmer bzw. „One-Stop-Shops“ verfügt und auch in Bezug auf finanzielle Fördermittel weniger stark subventioniert wird als zahlreiche Großunternehmen aus Japan, Korea oder China. Gleichzeitig wurde anerkannt, dass diese Hürde auch mittelfristig nicht gelöst werden könne und man sich stattdessen auf für den deutschen Mittelstand realistischere Projekte konzentrieren solle („low hanging fruits“).

Daneben wurde das Thema Finanzierung von den meisten Teilnehmern als zentrale Hürde für die deutsche Industrie genannt. Hierbei ging es weniger darum, dass man den niedrigen Krediten mit langjährigen Laufzeiten oder EZ-geförderten Instrumenten der Mitbewerber Paroli bieten solle, sondern deutsche Auslandsprojekte durch ein zusätzliches Angebot staatlicher Absicherungen oder durch die Finanzierung von Machbarkeitsstudien erleichtert werden könnten.
Weitere Anliegen und Wünsche der anwesenden Teilnehmer waren:

  • Austausch, Vernetzung und Networking, v.a. mit dt. Großunternehmen, Planern oder komplementären Anbietern
  • Austausch mit relevanten asiatischen Ministern
  • Sprachrohr für infrastrukturbezogene Themen und Anliegen ggü. der Politik, Interessenbündelung sowie Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern
  • Einrichtung von themenspezifischen Arbeitsgruppen zur gezielten Bearbeitung und Diskussion von Fachthemen
  • Marktinformationen und Übersicht über Infrastrukturprojekte, aber auch Normen und Zertifizierungen zur frühzeitigen strategischen Bearbeitung
  • Analyse von Best-Practices, um die Aufsetzung von Großprojekten besser zu verstehen
  • AG Infrastruktur als projektbezogene Organisationsplattform

Die Teilnehmer waren sich weitestgehend einig in dem Punkt, dass die Zielsetzung der Arbeitsgruppe – die Förderung des deutschen Mittelstands bei Infrastrukturprojekten in Asien – sinnvoll ist und die Gründung der AG zum richtigen Zeitpunkt komme. Eine Herausforderung besteht darin, den Themenkomplex Infrastruktur in seine zahlreichen Bestandteile aufzugliedern und Untergruppen zu bilden, in welchen die Themen zielführend vorangetrieben werden können.

Abschließend wurde vorgeschlagen, dass mittelfristig themenspezifische Arbeitsgruppen ins Leben gerufen werden sollten, um feste Ansprechpartner zu haben und die Themen kontinuierlich bearbeiten zu können. Die o.g. Anregungen der Teilnehmer werden in einen Arbeitsplan einfließen, welcher die künftigen Vorhaben der Arbeitsgruppe aufzeigt und nach Fertigstellung dem Netzwerk zur Verfügung gestellt wird.