Das Sanktionsregime des UNO-Sicherheitsrates gegen Nordkorea

Qualitativer Wandel und nicht intendierte Herausforderungen.


Insbesondere seit dem Scheitern der sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche als dem bisweilen letzten koordinierten Versuch, die Nuklearkrise auf der koreanischen Halbinsel diplomatisch zu lösen, bilden Sanktionen das zentrale strategische Element im Umgang der internationalen Gemeinschaft mit Nordkorea. Zielten die Sanktionen vor 2016 vor allem auf die nordkoreanische Führung bzw. Institutionen und Personen ab, die in unmittelbarem Zusammenhang zu Nordkoreas Nuklear- und Raketenprogrammen stehen, werden diese seither durch einen qualitativen Wandel charakterisiert, demnach die nordkoreanische Wirtschaft als Ganzes getroffen werden soll. Dieser holistischere Ansatz birgt seinerseits jedoch eine Reihe von nicht intendierten Herausforderungen, denen die internationale Gemeinschaft begegnen muss.

Die qualitative Veränderung des Sanktionsregimes des UN-Sicherheitsrates gegen Nordkorea

Ihren Anfang nahmen die Sanktionen des UNSC mit Resolution 1718 als Reaktion auf den ersten Nukleartest Nordkoreas im Oktober 2006. Von manchen Beobachtern als wegweisend für den weiteren Umgang mit Nordkorea beschrieben, forderte der Rat hierin den Wiedereintritt Nordkoreas in den NVV und das IAEA-Safeguards- Regime rechtlich verbindlich ein und verhängte gleichzeitig gezielte Wirtschaftssanktionen. Gleichwohl sah der Rat aber davon ab, ein umfassendes Sanktionsregime einzurichten, welches die nordkoreanische Wirtschaft insgesamt treffen würde und erlaubte vielmehr weiterhin die Fortsetzung von Handels- und Investitionsaktivitäten mit Nordkorea. Nach dem ersten Atomtest verfolgte der Sicherheitsrat also weniger eine umfassende Vergeltungsstrategie, sondern vielmehr eine Strategie, um Nordkorea durch Sanktionen von dem Pfad hin zur Nuklearmacht abzubringen. So kann trotz einer sukzessiven Verschärfung der Sanktionen gegen Nordkorea in den Folgejahren grundsätzlich festgestellt werden, dass die bis 2013 erlassenen Resolutionen (2087 und 2094) in ihrer Gesamtheit als „limited sanctions“ zu bezeichnen sind, also primär auf Reisebeschränkungen, das Einfrieren von mit dem Nuklearprogramm in Zusammenhang stehenden Finanzmitteln, einem Waffenembargo sowie der Beschränkung von Luxus- und „dual use“-Gütern ausgelegt sind. Die Sanktionen waren also unverkennbar auf die Machtelite des Landes sowie direkt mit den WMD-Programmen in Verbindung stehende Personen und Institutionen ausgerichtet.

Ab 2016 und insbesondere seit 2017 veränderte sich die Ausrichtung der Sanktionen auf die nordkoreanische Wirtschaft als Ganzes. Im Zentrum dieses Sanktionsregimes stehen dabei Nordkoreas wichtigste Importund Exportgüter. Wegweisend in diesem Zusammenhang war insbesondere Resolution 2321, die explizite Beschränkungen für Transaktionen mit Kohle, Eisen und Eisenerz aus der DVRK vorsah. Als Reaktion auf den Test einer Interkontinentalrakete am 4. Juli 2017 verabschiedete der Sicherheitsrat am 5. August einstimmig Resolution 2371, die ein grundsätzliches Ausfuhrverbot für Kohle, Eisen, Eisenerz, Blei und Bleierz einführte. Außerdem wird Nordkorea der Export von Fisch und Meeresfrüchten verboten sowie die Anwerbung, Einstellung und Bezahlung weiterer nordkoreanischer Arbeiter im Ausland untersagt. Im Kern von Resolution 2375 steht ein vollumfassendes Verbot des Verkaufs von Erdgaskondensaten und Flüssiggasen an Nordkorea sowie ein vollumfängliches Exportverbot für nordkoreanische Textilien. Darüber hinaus beschränkt die Resolution die Mineralölexporte nach Nordkorea auf zwei Millionen Fass für das Jahr 2018. Weitere Arbeitsbewilligungen für nordkoreanische Gastarbeiter dürfen nicht mehr ausgestellt werden und das Verbot von Joint-Ventures mit nordkoreanischen Firmen wird ausgeweitet. Mit Resolution 2397 vom 22. Dezember 2017 werden die Öllieferungen schließlich weiter reduziert. So dürfen ab dem 1. Januar 2018 höchstens 500 000 Barrel raffinierter Ölprodukte pro Jahr nach Nordkorea verkauft werden.

Nicht intendierte Herausforderungen der Sicherheitsratssanktionen


Es besteht kein Zweifel daran, dass die gegen Nordkorea erlassenen Sanktionen das Land ökonomisch treffen werden. Gleichwohl führt deren holistischer Ansatz auch zu einer Reihe nicht intendierter Herausforderungen, denen die internationale Gemeinschaft begegnen muss. So werfen die Sanktionen etwa ernste Fragen im Hinblick auf deren nachteiligen Einfluss auf die humanitäre Kooperation mit Nordkorea sowie auf die seit den 2000er-Jahren immer wichtiger werdenden marktwirtschaftlichen Prozesse im Land auf.

Laut dem jüngsten „Needs and Priorities Report“ sind etwa 18 Millionen der insgesamt ca. 25 Millionen Nordkoreaner als „food insecure“ einzuschätzen und bedürfen damit der externen Hilfe zur Versorgung. 41 Prozent der Bevölkerung sind von Unterernährung betroffen und etwa 3,5 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Obgleich vom Sicherheitsrat beschlossen und damit offiziell von der internationalen Gemeinschaft legitimiert, stellen die Sanktionen die Weltorganisation auf der anderen Seite also auch vor ein grundlegendes humanitäres wie auch wirtschaftliches Dilemma. Zusammengenommen unterbinden die Sanktionen gegenwärtig etwa 90 Prozent des nationalen Exports und Schätzungen gehen von akkumulierten jährlichen Verlusten von ca. 2,5 Milliarden US-Dollar aus. Während diese Sanktionsmaßnahmen die nordkoreanische Wirtschaft also spürbar schwächen werden, attestieren zahlreiche Experten, dass diese Maßnahmen andererseits die Gefahr einer humanitären Katastrophe in sich tragen. Dies verdeutlicht das Dilemma und die moralische Komplexität in dem diffizilen Verhältnis zwischen Sanktionen und humanitärer Hilfe. Mit den jüngsten Sanktionsbeschlüssen ist nicht nur davon auszugehen, dass die bereits große Anzahl der in Armut lebenden Bevölkerungsschichten weiter ansteigen wird, sondern dass die Sanktionen auch die Arbeit der Hilfsorganisationen etwa im Hinblick auf die Lieferung lebenswichtiger Hilfsgüter weiter verkomplizieren werden.

Neben dieser humanitären Dimension haben die Sanktionen gleichermaßen auch einen negativen Effekt auf die Entwicklung marktwirtschaftlicher Prozesse in Nordkorea. Nordkoreas Wirtschaft besteht aus zwei Sektoren: dem strategischen Sektor, welcher u. a. das Militär und die Schwerindustrie umfasst, sowie den nicht-strategischen Sektor, welcher u. a. die Leichtindustrie und lokale Industrie umfasst. Während ersterer von planwirtschaftlichen Mechanismen getragen wird, wird der nicht-strategische Sektor seit dem Ende des Kalten Krieges zunehmend von marktwirtschaftlichen Prozessen und Mechanismen charakterisiert. Wie nicht zuletzt durch die Strategie des So˘n’gun („Militär zuerst“) deutlich wird, fokussiert die Investmentstrategie der nordkoreanischen Führung augenfällig den strategischen Sektor und erlaubte die „Vermarktlichung“ (marketization) des nicht-strategischen Sektors seit den frühen 2000er-Jahren. Vor der Verabschiedung von Resolution 2270 zielten die Sanktionen des Sicherheitsrates primär auf die Unterbindung von Handelsströmen ab, die in direktem Zusammenhang mit dem nordkoreanischen WMD-Programm stehen. Vor diesem Hintergrund blieb die Zivilwirtschaft weitestgehend unberührt von den Sanktionen. Mit Resolution 2270 schränkte die internationale Gemeinschaft auch diesen zivilen Handel spürbar ein und Resolution 2371 verhängt ein vollumfassendes Importverbot von Nordkoreas wichtigsten Exportprodukten sowie ein Verbot der Beschäftigung nordkoreanischer Arbeitskräfte.

Die zu erwartenden Abschöpfungen von Devisen durch die nordkoreanische Führung wird die nordkoreanische Wirtschaft sowohl auf Produktions- wie auch auf Konsumseite massiv belasten, da die Märkte in Nordkorea in ausländischer Währung verwurzelt sind und eine zu erwartende Abschöpfung ausländischer Währung von den Märkten durch die nordkoreanische Regierung nicht nur die Transaktionen auf den Märkten zum Erliegen bringen würde, sondern auch weitere Investitionen der sogenannten „donjus“, eine Klasse von Händlern und Unternehmern, die von manchen Beobachtern als „neue Mittelschicht“ bezeichnet wird, unterbinden. Sanktionen zielen darauf ab, einen Wandel der Regierungspolitik herbeizuführen. Im Falle Nordkoreas treffen die Sanktionen jedoch (auch und gerade) die falschen.


Eric J. Ballbach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Koreastudien, Freie Universität Berlin, Gastwissenschaftler, Stiftung Wissenschaft und Politik