Seidenstraße – Mehr als nur ein interkontinentales Infrastrukturprojekt

Initiative verbindet Südostasien und China mit Europa / Finanzierung von Kraftwerken, Autofabriken und Bergwerksprojekten


Investitionen den Ausbau von Seehäfen in Indonesien und Griechenland, Brücken über die Donau, neue Pipeline-Stränge durch Tadschikistan und Turkmenistan sowie tausende Kilometer neuer Eisenbahnstrecken – die Initiative neue Eisenstraße ist ein nahezu weltumspannendes Industrie- und Infrastrukturprojekt. Viele der Vorhaben könnten ohne chinesische Beteiligung kaum realisiert werden. Daher sind sie meistens hochwillkommen. In einigen Ländern Südostasiens dagegen regen sich Widerstände.

Die neue Seidenstraßeninitiative bietet Chancen in der Logistik. So wie die historische Seidenstraße vor 2.000 Jahren erstmals Asien und Europa als Handelsroute verband, entstehen heute neue logistische Lösungen zwischen chinesischen und europäischen Städten: Zwanzig Züge pro Woche pendeln bereits zwischen dem Duisburger Hafen in Deutschland und mehreren Zielorten in China. Ein neuer Zug verbindet seit 2016 das französische Lyon mit Wuhan in Zentralchina. Der erste transkontinentale Cargo-Zug zwischen Yiwu in Ost-China und Großbritannien traf am 18. Januar 2017 nach 18 Tagen in London ein. Zuvor durchquerte er Kasachstan, Russland, Weißrussland, Polen, Deutschland, Belgien und Frankreich. Im September 2017 verließ der erste Güterwagen mit 88 Containern die ostchinesische Stadt Yiwu mit Ziel Prag - beladen mit Kleidung, Hüten, Schuhen und Waren für Weihnachten. Doch die Initiative ist weit mehr als die Verbindung zwischen Ost und West. Sie erschließt gesamt Eurasien zur See und zu Land. Sie bindet Ostafrika mit ein und schlägt die Brücke nach Südostasien sowie nach Südamerika. Das geplante Investitionsvolumen seitens der chinesischen Regierung beträgt bis zu einer Billion Euro.

„Doch die Initiative ist weit mehr als die Verbindung zwischen Ost und West. Sie erschließt gesamt Eurasien zur See und zu Land. Sie bindet Ostafrika mit ein und schlägt die Brücke nach Südostasien sowie nach Südamerika.“

 

Es geht längst nicht nur um neue Schifffahrtswege und Bahnverbindungen. Entlang der Route investieren chinesische Unternehmen in Kraftwerke, bauen Automobilwerke und beteiligen sich an Rohstoff-Lagerstätten. In Pakistan etwa entstehen zwei durch chinesische Firmen finanzierte Atomkraftwerke. Eine neue Linie soll zusätzliches Gas von Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan durch die Zentralasien-China-Gaspipeline befördern. In Serbien ist CRBC aus China Projektpartner beim Bau der neuen Euro-Asien-Kontinentalbrücke über die Donau. Die chinesischen Automobilkonzerne Geely und Great Wall bauen Fabriken in Belarus und Russland.

Darüber hinaus gibt es in Russland viele weitere Projekte mit chinesischer Beteiligung: So will sich China maßgeblich beim Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Moskau nach Kasan einbringen. Baubeginn soll bereits 2018 sein. Chancen auf die Beteiligung an einem Abschnitt rechnet sich auch die deutsch-russische Hochgeschwindigkeitsinitiative aus, der auch Schaeffler angehört.

Aber auch in Russland dreht sich nicht alles nur um die Eisenbahn und Logistik. Bei einem der größten Rohstoffprojekte Russlands, Power of Siberia, ist China nicht nur Finanzierungs- und Baupartner, sondern letztlich auch der wichtigste Abnehmer von Kohlenwasserstoffen. Dabei geht es um die Erschließung der Gaslagerstätten Tschajadinskoje und Kowyktinskoje, um den Bau von Gaspipelines, um die Reinigung und Verarbeitung des Erdgases und schließlich um die Lieferung nach China. Geplant sind große Gasverarbeitungs- und Gaschemiewerke in Blagoweschensk im Gebiet Amur. Die Projektkosten belaufen sich auf über 55 Mrd. US-Dollar. Von russischer Seite wird das Projekt vom Staatskonzern Gazprom gesteuert, von chinesischer Seite beteiligt sich China National Petroleum Corporation (CNPC). China National Petroleum ist auch im hohen Norden Russland aktiv. Der Konzern hält 20 Prozent am Gasproduktionsunternehmen Jamal SPG auf der Halbinsel 9,9 Prozent der Aktien gehören dem Silk Road Fund. Damit reicht der Einfluss der neuen Seidenstraße bis weit über den nördlichen Polarkreis hinaus. Der Kern des Projektes ist eine Gasverflüssigungsanlage, die in drei Etappen – 2017, 2018 und 2019 – fertiggestellt werden soll.

Projekte in Südostasien

Die neue Seidenstraßeninitiative verbindet nicht nur Asien mit Europa. Sie beinhaltet auch ein Netzwerk von Infrastruktur und Wirtschaftskorridoren in Südostasien. So soll im Rahmen der Strategie „21. Jahrhundert Maritime Seidenstraße“ mit chinesischer Finanzierung der neue Seehafen Tanjung Priok in Indonesien ausgebaut werden. Heute ist dieser Hafen bereits Indonesiens größter Seehafen. Über ihn werden über 50 Prozent aller internationalen See-Güterströme abgewickelt. Bis 2023 sollen die Kapazitäten nun mit chinesischer Hilfe verdreifacht werden. Es entstehen auch neue Projekte für die indonesischen Eisenbahnverkehre. Für 5,5 Mrd. US-Dollar soll eine 150 km lange, neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Jakarta und Bandung gebaut werden. Das Projekt hat CRRC Qindao Sifang gewonnen. Die Bauzeit beläuft sich auf drei Jahre.

Die neue Seidenstraßenstrategie Chinas steht im Einklang mit den Plänen der indonesischen Regierung: Diese plant 43 Infrastrukturprojekte. In den kommenden Jahren sollen 2.350 km neue Straßen und 1.000 km Autobahnen gebaut sowie fast 47.000 km Straßen repariert werden. In Sumatra, Sulawesi und Kalimantan sollen in den kommenden Jahren über 3.200 km Eisenbahnstrecken entstehen. Außerdem sind 15 neue Flughäfen in Planung sowie 24 neue Häfen.

In Laos und Thailand sind Hochgeschwindigkeitsbahnen im Rahmen des Pan-Asia-Railway-Projekts in der Planung. Gemäß Bangkok Post hat Thailand mit China eine Absichtserklärung über eine 845 km lange zweigleisige Eisenbahnstrecke unterschrieben, die die Abschnitte Bangkok- Kaeng Khoi-Nakhon Ratchasima- Nong Khai und Kaeng Khoi-Map Ta Phut einbezieht.

Aber das Prestigeprojekt Chinas im asiatisch-pazifischen Raum ist eine 3.900 km lange Bahnverbindung zwischen der Finanzmetropole Singapur sowie Kunming, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Yunnan, trotz der politischen und wirtschaftlichen Vorbehalte. Diese zentrale Hauptroute durchquert Laos, Thailand und Malaysia und endet schließlich in Indonesien. Die westliche Route führt von China über Myanmar bis nach Bangkok, die östliche Linie von Bangkok über Kambodscha bis nach Kunming.

Doch es gibt auch Hürden: In den ASEAN-Ländern gibt es nur Schmalspurgleise mit einem Meter Breite. Sie lassen weder hohe Geschwindigkeiten zu, noch hohe Kapazitäten. Ein neues Gleissystem wie in China würde die Kosten treiben. Und es gibt politische und wirtschaftliche Vorbehalte. Vor allem in Vietnam, in Myanmar und auf den Philippinen. Dabei geht es um Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer und um den steigenden Rohstoffhunger Chinas. Dazu kommt: Je stärker die chinesischen Warenlieferungen in die ASEAN-Region steigen, desto schneller wächst auch das Handelsdefizit in der ASEAN-Region.

Andererseits besteht in den ASEAN-Ländern auch der Konsens, dass die Region eine stärkere Vernetzung benötigt – und zwar von Menschen und Warenströmen. Das sind die zentralen Säulen im Masterplan für Konnektivität in der ASEAN-Region bis 2025. Die neue Seitenstraßeninitiative flankiert damit die selbst definierten Entwicklungsziele der zehn ASEAN-Länder.

Die neue Seidenstraßeninitiative verändert Logistik, Mobilität und Entfernung in Eurasien. Die Schaeffler Gruppe, die konsequent ihre Strategie „Mobilität für morgen" verfolgt, beteiligt sich aktiv an dieser Initiative und damit verbundenen Projekten: Im Öl-und Gassektor, neuen Bahnverbindungen, im Güter- und Personenverkehr, bei neuen Automobilwerken oder Groß-Kraftwerken. Und nicht weniger wichtig und elementar ist die Ausrüstung aller Maschinen und Anlagen, die beim Aufbau der Infrastruktur in der Prozesskette beteiligt sind.

Steckbrief Neue Seidenstraße

  • 2013 von der chinesischen Regierung initiiert
  • Historische Seidenstraße als Vorbild
  • Schließt über 60 Staaten mit 63 Prozent der Weltbevölkerung und 29 Prozent des Welthandels ein
  • Die meisten Länder sind Entwicklungsländer mit schwacher
  • Infrastruktur und dürftigen Finanzierungsmöglichkeiten
  • Sechs Wirtschaftskorridore
  • Vier Freihandelszonen
  • Elf Freihandelsabkommen
  • Spezielle Finanzinstitutionen wie etwa Silk Road Fund, Asian Infrastructure Investment Bank

Prof. Dr. Rainer Lindner

Prof. Dr. Rainer Lindner ist CEO Mittel- & Osteuropa und Mittlerer Osten & Afrika der Schaeffler AG.