Myanmar im Wahljahr 2015

In Folge der politischen Öffnung des Jahres 2011 erlebte Myanmar eine Phase der Euphorie bis der Reformprozess ins Stocken geriet und auf mancher Seite gewisse Ernüchterung auslöste. Alte und neue Konflikte keimten auf. Rückschritte im Bereich der Pressefreiheit erzeugten Zweifel an der Demokratisierung. Dennoch sind viele ausländische Unternehmen bereits jetzt unbeirrt erfolgreich im Lande tätig. Was hat sich vor Ort getan und wie ist das Businessklima im Wahljahr 2015?

Geht man dieser Tage durch Yangon, erkennt man im Vergleich zu vor nicht allzu langer Zeit viele Ecken der Stadt kaum noch wieder. Neue Straßenüberführungen oder „Flyover" , wie man sie in der ehemaligen Hauptstadt nennt, bringen an einigen Nadelöhren etwas Erleichterung für die staugeplagten Bewohner der Stadt, wei-
tere sind im Bau. Marode Wasser- und Telefonleitungen werden ersetzt und monatlich neue, moderne Gebäude fertiggestellt. Internationale Hotelketten öffnen neben deutschen Autohäusern ihre Pforten, neue Fusionkitchen-Restaurants und Foodtrucks versorgen die ständig steigende Anzahl von Expats, die über den sich im Ausbau befindenden Flughafen in Mingaladon einreisen.

Die Stadt erneuert sich in einer bemerkenswerten Geschwindigkeit. Ausstellungen und Konzerte bereichern das kulturelle Leben. Die Zahl der Touristen steigt stetig. Offizielle Zahlen bescheinigen sogar eine Verdreifachung der Touristen in den vergangen zwei Jahren, rechnen aber vermutlich auch Tagespendler an den Landgrenz-
en mit ein. Die vielen Hotels, besonders in Yangon, aber auch im Rest des Landes, die vor Kurzem fertiggestellt wurden oder sich noch im Bau befinden, bezeugen das enorme Wachstumspotenzial im Tourismussektor. Starinvestor Jim Rogers, der den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas richtig vorhersagte, verglich Myanmars politische Öffnung von 2011 mit dem Reformkurses Chinas ab 1978 und hob die außergewöhnlichen Investitionsmöglichkeiten in Myanmar hervor. Das 2012 erlassene Foreign Investment Law (FIL) hat willkommene ausländische Direktinvestitionen (FDI) angezogen.

Die in Kürze erwartete Unterzeichnung des Investitionsschutzabkommens, über das die EU und Myanmar seit Anfang 2014 verhandeln wird diesen Trend weiter fort-
setzen. So geht die Myanmar Investment Commission (MIC) für das Fiskaljahr 2015-16 vorsichtig von einem Anstieg der FDIs um 150 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 6.000 Millionen US-Dollar aus. Diese guten Aussichten verwirklichen sich bereits in manchen Bereichen. Der schnell wachsende Textilsektor erlebte 2014 einen wahren Boom. Neben zahlreichen asiatischen Herstellern haben einige weitere europäische Markenunternehmen Produktionsstätten eröffnet. Die Zahl der gegen-
wärtig ca. 300 Fabriken soll sich in den kommenden zehn Jahren verzehnfachen und dann eine Million Arbeitsplätze bieten.

Derzeit sind es ca. 200.000. Gut ausgebildete Angestellte sind in Myanmar rar. Unternehmer klagen häufig über Abwerbungen durch die Konkurrenz. Aber trotz erst-
en Streiks von Näherinnen ist die Stimmung alles in allem gut und man ist zuversichtlich. Die Einhaltung internationaler Arbeitsstandards wird sehr ernst genommen, auch von asiatischen Herstellern, die dort meist für den europäischen Markt produzieren. Mit dem Textilverband und der Regierung werden neue Standards entwickelt und die Kinderarbeit, die in den Teeläden der Stadt noch zum Alltag gehört, wird in den Fabriken weitestgehend unterbunden.

Neuen Auftrieb erfährt gegenwärtig auch das ehrgeizige Tiefwasserhafen-Projekt in Dawei, dessen erste Bauphase noch Ende 2015 starten soll. Die Verträge dazu wurden Ende April von der myanmarischen und der thailändischen Regierung unterzeichnet. Darüber hinaus wird sich Japan in das Projekt miteinbringen und nach Unterzeichnung im Juli gleichberechtigter Teilhaber der Dawei Special Economic Zone Development Co (DSEZ), einer Zweckgesellschaft zur Durchführung des Pro-
jekts, sein. Im Mai sollen die Verträge zwischen Japan und Thailand zum Bau einer Eisenbahnstrecke in Thailand zwischen Kanchana buri und dem Tiefwasserhafen
Laem Chabang in Chonburi folgen.

Geplant ist die Anbindung Daweis an das 300 Kilometer entfernte Bangkok sowie ebenso nach Südchina per Straße, Schiene und Pipeline. Nach der Fertigstellung sollen dort einmal 250 Millionen Tonnen Fracht im Jahr umgeschlagen werden, womit Dawei unter den zehn größten Häfen der Welt rangieren wird. Besonders Myan-
mar und Thailand aber auch die gesamte Region wird von diesem neuen Hub im internationalen Warenstrom langfristig profitieren können.

Während der Westen auf den demokratischen Wandel wartet, ist der wirtschaftliche schon voll im Gange

Bei einem Vergleich der wirtschaftlichen und innenpolitischen Entwicklungen erscheint die wirtschaftliche mit einem BIP-Wachstum von 8,5 Prozent ungleich positiver. Das Anfang des Jahres geplatzte, landesweite Waffenstillstandsabkommen sowie beispielsweise die Gefechte in der Kokang Region oder die Proteste gegen zu ge-
ringe Kompensationen bei Staatsenteignungen lassen einerseits erahnen, wie groß die Herausforderungen noch sind, die die nächste Regierung übernehmen wird.
Sie zeugen andererseits von einem stürmischen Wahljahr in dem verschiedene gesellschaftliche Gruppen und ethnische Minderheiten nach mehr politischer Teilhabe streben.

Präsident Thein Sein, der nach einem fulminanten Start von vielen Seiten für das Stocken des Reformprozesses mitverantwortlich gemacht wird, wurde bisher von der Regierungspartei kein Vertrauen für eine zweite Amtszeit ausgesprochen. Auch für Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi stehen die Chancen bisher wenig aussichtsreich. Der von ihrem Vater nach der Kolonialzeit zum Schutze vor Fremdherrschaft implementierte Passus in der Verfassung, dessen Änderung erst kürzlich vom Parlament abgelehnt wurde, versperrt ihr nach wie vor den Weg zum Präsidialamt. Dieser sieht vor, dass Personen mit direkten Angehö-
rigen, die eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen, nicht Präsident werden können.

Durch die Vermeidung heikler innenpolitischer Themen hat „the Lady” ohnehin viel Sympathie und Unterstützung in der Bevölkerung verloren. Der Ausgang der Wahl ist derzeit noch völlig offen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Ergebnis der Wahl keinen fundamentalen Wandel im langfristig angelegten und von allen Seiten gewünschten Reformprozess verursachen wird. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Wahl wünschenswerterweise einen frischen Wind in die Segel des Reformprozesses blasen und einen weiteren Schritt zur Stabilität des Landes bringen wird. So ist zwar im Wahljahr nicht unbedingt mit der Umsetzung weiterer großer Reformen zu rech-
nen, jedoch werden viele wichtige Schritte bereits vorbereitet.

Neben der angestrebten Verfassungsänderung in der kommenden Legislaturperiode sind die grundlegende Reform des Unternehmensgesetzes sowie die Zusammen-
führung der beiden Investitionsgesetze schon im Gange. Die ersten Entwürfe werden bereits öffentlich und unter Mitwirkung der verschiedenen Interessenvertreter diskutiert. Myanmar bewegt sich im landestypischen Tempo mit zwei Schritten voraus und einem zurück. Dem geneigten Unternehmer sollten neben seiner Vision, die großartigen Chancen in Myanmar zu nutzen, sicherlich auch Geduld und Ausdauer zu Eigen sein.

Kreativität im Umgang mit unerwarteten Schwierigkeiten und gelassene Beharrlichkeit bei der Verfolgung der Ziele sind ebenso wichtig wie eine sorgfältige Planung des geschäftlichen Vorhabens. Es sollte bei jedem Vorhaben noch etwas Platz gelassen werden, Unvorhergesehenes miteinzukalkulieren. Das extreme Wetter der Regenzeit zum Beispiel oder aber auch die Hitze im myanmarischen Sommer kann für Mensch und Maschine aus mitteleuropäischen Gefilden schnell zur ungeahnten Herausforderung werden.

Aufgrund der sich rasch wandelnden Voraussetzungen und Regularien, sowie der exotischen, landestypischen Besonderheiten ist zu empfehlen, sich Unterstützung vor Ort zu holen. In Yangon ansässige Rechtsanwaltskanzleien können für die genaue Planung und Umsetzung einer Unternehmung in Myanmar konsultiert werden. Lokale Geschäftspartner und Kontakte lassen sich mit Unterstützung des Delegiertenbüros der Deutschen Wirtschaft in Yangon und durch die neugegründete und gerade erst im Mai eröffnete German Myanmar Business Chamber (GMBC) finden. Für deutsche Unternehmen stehen verlässliche Anlaufstellen im Lande zur Verfüg-
ung, um die wichtigen ersten Schritte erfolgreich umzusetzen.

Alexander Rindfleisch

Alexander Rindfleisch ist als Corporate Consultant für SKRK Legal Services Co. Ltd. mit Schwerpunkt im Bereich der interkulturellen Kommunikation vorwiegend in Yangon aber auch für die Partnerkanzleien in Bangkok und Köln tätig.

info@skrk-legal.com