Australien – Wachstumskurs mit Zukunft?

Das jahrzehntelange Wirtschaftswachstum Australiens beruht in großen Teilen auf dem Rohstoffreichtum des Landes. Um die Abhängigkeit von schwankenden Weltmarktpreisen sowie vom weiteren Aufstieg Chinas zu reduzieren und sich in Zeiten des Klimawandels als verantwortungsvoller Akteur zu etablieren, sind eine stärkere ökonomische Diversifizierung sowie die Reformierung der Energiepolitik erforderlich.

Australien, auch „lucky country“ genannt, hat seit bald 26 Jahren keine Rezession mehr erlebt. Wird sich dieser Trend Ihrer Ansicht nach fortsetzen oder ist ein baldiges Ende des Aufschwungs in Sicht?

Bislang ist Australien noch auf einem relativ stabilen Wachstumskurs, auch wenn die Wachstumsraten deutlich unter denen vor der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise liegen. Seit 2011 spürt Australien den Abschwung der Rohstoffpreise, die Terms of Trade des Landes verschlechtern sich wieder. Dennoch: Das Wachstum in Australien wird noch immer in sehr hohem Maße von Rohstoffexporten nach China getragen. Im letzten Finanzjahr gingen 28 Prozent aller australischen Warenexporte nach China; die Hälfte davon entfiel alleine auf Eisenerz, andere metallische Erze, Gold und Kohle sind ebenfalls wichtige Exportgüter. Damit hängt Australiens Wohlergehen zu einem erheblichen Teil vom Rohstoffhunger der chinesischen Wirtschaft ab. Lässt dieser nach, weil die Wachstumsraten in China zurückgehen oder die ökologische Modernisierung der Wirtschaft dort voranschreitet, wird Australien dies sehr unmittelbar spüren. Mittel- bis langfristig entstehen hierdurch zweifellos Unsicherheiten. Auf dem Binnenmarkt hängt derzeit viel von der Baukonjunktur und den steigenden Hauspreisen ab, die durch die hohen Einkommensgewinne der letzten Jahre und die niedrigen Zinsen befeuert werden. Steigende Zinsen könnten auch diesem Boom ein rasches Ende setzen. Die OECD sieht deshalb deutliche Risiken eines Wirtschaftsabschwungs in Australien. Auch die weltpolitischen Unsicherheiten nehmen zu: Die amerikanische Geldpolitik, der Brexit, zunehmender Protektionismus fast weltweit und Änderungen in der chinesischen Wechselkurspolitik sind Risiken, auf die Australien kaum Einfluss hat.

„Australiens Wohlergehen hängt vom Rohstoffhunger der chinesischen Wirtschaft ab.“

 

Australiens Wirtschaft ist in hohem Maße abhängig von seiner Rohstoffindustrie und damit empfindlich gegenüber Preisschwankungen auf dem Weltmarkt. Fehlt es der Wirtschaftsstrategie der australischen Regierung an neuen Visionen oder existieren bereits erfolgsversprechende Ansätze?

Diese Abhängigkeiten sind Vertretern der australischen Wirtschaft und Politik sicher bewusst – sie sind auch unübersehbar. Wurden vor einigen Jahren noch der starke Dollar und die Gefahren einer Holländischen Krankheit beklagt, sieht sich das Land heute anderen, vermutlich vielfältigeren Unsicherheiten gegenüber. Eine stärkere Diversifizierung der Wirtschaft, insbesondere der exportorientierten Branchen wäre ratsam. Außer bei spezifischen Nischenprodukten für spezielle Märkte, wie bei beispielsweise wissenschaftlichen Geräten oder Hochgeschwindigkeitsfähren, wird sich Australien aber weiterhin schwer damit tun, im Industriesektor international wettbewerbsfähig zu werden. Hohe Lohnkosten, ein relativ kleiner Binnenmarkt und technologische Defizite sind in vielen Bereichen – und ganz sicher im Hinblick auf die industrielle Massenproduktion – schwere Hypotheken. Die Ende 2015 verabschiedete nationale Innovations- und Wissenschaftsagenda mag ein Schritt in die richtige Richtung sein. Vielen erscheint sie aber zu halbherzig, um die Schwächen Australiens bei den Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen signifikant zu mildern. Allerdings gibt es gerade bei den Dienstleistungen nach dem Ende des Rohstoffbooms wieder Wachstumspotenziale bei Branchen, die viele Jahre unter dem starken australischen Dollar gelitten haben. So beispielsweise in der Tourismuswirtschaft oder im Bildungssektor – beide vor allem mit Blick auf die Nachfrage aus Asien.

Auch wenn einige Bundesstaaten bis 2025 einen Öko-Stromanteil von bis zu 50 Prozent anstreben, setzt die Energiepolitik der australischen Regierung weiterhin auf Kohle. Eine sinnvolle Strategie? Welche Risiken für die Umwelt des Landes sind mit dieser Entscheidung verbunden?

Langfristig ist die Strategie zugunsten der Kohle in Anbetracht des Klimawandels, der sich nicht zuletzt auf dem fünften Kontinent selbst stark auswirken wird, wenig sinnvoll. Insbesondere fehlen klare Signale, wo es mit der Energiepolitik hin gehen soll. Diese Unklarheiten führen dazu, dass z.B. sowohl Investitionen in die Modernisierung von Kohlekraftwerken ausbleiben als auch Investitionen in erneuerbare Energien zu gering ausfallen. Das Hin und Her mit der erst eingeführten, dann wieder abgeschafften Besteuerung von Kohlestoffemissionen zwischen 2012 und 2014 hat bei Produzenten und Konsumenten viel Vertrauen zerstört. Die Energiepolitik der australischen Bundesregierung wirkt weitgehend planlos, manche sagen, sie existiere gar nicht. Dies belastet nicht nur die globale Atmosphäre, sondern vor allem auch Australiens Ruf in der Welt. Anderseits steht Australien tatsächlich vor einer gewaltigen Aufgabe, wenn es seine von hohen Energieverbräuchen und Ressourcenextraktion abhängige Wirtschaftsstruktur umbauen möchte. Australien hat hier einen viel weiteren und steinigeren Weg zu gehen als beispielsweise die Länder der EU.

Reformierung der Energiepolitik – ein steiniger Weg“

 

Neben Rohstoffen gewinnt in Australien auch die Landwirtschaft als Exportzweig an Bedeutung. Australien möchte zur „Food Bowl of Asia“ werden. Wie entwickeln sich die Pläne der Regierung und wo liegen die zentralen Herausforderungen?

Diese Ideen sind nicht neu. Sie werden in ganz ähnlicher Form schon seit 30 Jahren diskutiert. Natürlich ist Australien seit jeher ein wichtiger Exporteur von Nahrungsmitteln, z.B. von Weizen oder Rindfleisch, und bei manchen Produkten wie Wein wurden in den letzten Jahrzehnten sogar spektakuläre Erfolge erzielt. Es besteht auch kein Zweifel, dass in Asien die Nachfrage nach Nahrungsmitteln zunehmen wird. Aber Australien ist nicht das einzige Land, das diese Märkte bedienen kann. Chile, Argentinien oder auch die USA sind bei vielen Produkten starke Konkurrenten. Der Vorteil Australiens, geographisch günstiger zu den asiatischen Märkten zu liegen, wird oft überschätzt, weil Transportkosten heute nicht mehr die Rolle spielen wie noch vor einigen Jahrzehnten.

Wirtschaftliche und politische Stabilität machen Australien zu einem interessanten Wirtschaftsstandort für ausländische Unternehmen. Welche Chancen bieten sich deutschen Investoren auf dem australischen Markt?

Prinzipiell sind 25 Millionen relativ wohlhabende Konsumenten ein Markt, der sich für viele deutsche Unternehmen lohnen könnte. Hinzu kommt tatsächlich auch die hohe politische und wirtschaftliche Stabilität, die insgesamt sehr berechenbare Bedingungen schafft. Interessant erscheint Australien vor allem für die Ansiedlung von regionalen Headquarters, um von dort aus den asiatisch-pazifischen Markt erschließen zu können. Anderseits ist die industrielle Basis des Landes schwach und in vielen Teilen des Landes, und das durchaus auch in den großen Städten, fast nicht existent. Deshalb sind serviceorientierte Investitionen in der Regel wohl sinnvoller als solche im industriellen Sektor.

„25 Millionen wohlhabende Konsumenten sind ein Markt, der sich für viele deutsche Unternehmen lohnen könnte“

 

Es gibt Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Australien. Welche Chancen bieten sich für die beteiligten Länder und worin bestehen die Risiken?

Grundsätzlich sind Freihandelsabkommen mit Chancen verbunden. Aber zum einen sind die Fortschritte bei diesen Gesprächen sehr langsam, zum anderen sind die Interessen der Beteiligten sehr unterschiedlich. Vieles wird aus australischer Sicht von Fragen der Landwirtschaft abhängen. Die EU und Australien haben hier sehr unterschiedliche Traditionen und Interessen. Hier die gemeinsame Agrarpolitik der EU mit Marktordnung und Subventionierung, dort Australien, eine Führungsnation der sogenannten Cairns-Gruppe, die einen Freihandelsansatz auf den Agrarmärkten mit sehr geringen staatlichen Eingriffen favorisiert. Es ist kaum zu sehen, dass man sich hier schnell einig wird. Die wirtschaftlichen Strukturen und außenhandelspolitischen Interessen von Ländern wie Deutschland und Australien sind eben sehr unterschiedlich.


Prof. Dr. Boris Braun

Prof. Dr. Boris Braun, Geographisches Institut der Universität zu Köln, hat u.a. folgende Forschungsschwerpunkte: wirtschaftlicher und urbaner Wandel, ökologische und soziale Konsequenzen der Globalisierung, Südasien und Australien.