Tagungsbericht: Big Bang oder Wegmarke – Was bedeutet die AEC für deutsche Unternehmen?

Mit dem Ziel, die Bedeutung der forcierten Wirtschaftsintegration in Südostasien für deutsche Unternehmen herauszuarbeiten, hat der OAV in Kooperation mit den Botschaften der ASEAN-Länder eine hochkarätige Fachtagung in Berlin organisiert.

Der Rahmen war ideal: Im Haus der Commerzbank, direkt neben dem Brandenburger Tor, versammelten sich über 100 Teilnehmer, um von profilierten Experten mehr über die Ziele, Chancen und den aktuellen Stand der ASEAN Economic Community (AEC) zu erfahren, die Ende 2015 in Kraft tritt. Die Teilnehmer waren sich einig, dass der Thematik hierzulande noch nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wird. Diese Einschätzung wurde auch von Dr. Axel Stepken, Präsidiumsmitglied des OAV und Vorstandsvorsitzender der TÜV SÜD AG, geteilt, der in seinem Grußwort auf die steigende wirtschaftliche und politische Relevanz der Region hinwies.

Als Vertreter der ASEAN-Seite betonte der Botschafter von Brunei Darussalam, S.E. Pehin Dato Abdul Jalil Ahmad, dass die ASEAN Staaten großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern haben. Er plädierte für die Etablierung von Foren, in denen man konkrete Kooperationen ausloten kann.

Dass die ASEAN-Region für die deutsche Politik hohe Relevanz hat, bestätigte Hans-Joachim Fuchtel, Parla-
mentarischer Staatssekretär im BMZ. Das Integrationsprojekt stoße auf großes Wohlwollen der Bundesregie-
rung und werde von dieser aktiv unterstützt. Als zweiter Ehrenredner wies Stephen P. Groff, der als Vizepräsi-
dent der Asiatischen Entwicklungsbank auch für Südostasien zuständig ist, auf das Erfordernis hin, die Privat-
wirtschaft gezielt einzubeziehen, um so die vielen Potenziale optimal realisieren zu können.

Er hob zudem die Bedeutung des „ASEAN Way“ mit seiner Betonung der Aspekte Gesichtswahrung, Nicht-Einmischung und Diskretion hervor.  Diese Philosophie ermögliche es den durch eine hohe Heterogenität geprägten Mitgliedern, ihre nationalen Spezifika einzubringen. Aus diesem Ansatz heraus ließe sich auch der Charakter der ASEAN-Integration erklären, die – anders als bei der EU – marktorientiert sei, primär von den Mitgliedern ausgehe („bottom up“) und nur über schlanke Gemeinschaftsinstitutionen („institution-light“) verfüge.

Das Ziel lautet umfassende Konnektivität

Mit Blick auf die Grundpfeiler der AEC wurde deutlich, dass diese vier Ziele verfolgt: 1. die Errichtung eines gemeinsamen Marktes mit integrierter Produktionsbasis,
2. die Gestaltung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaftsregion, 3. die Sicherstellung einer gerechten ökonomischen Entwicklung und 4. die Einbindung der ASEANs in die Weltwirtschaft.

Zur Verwirklichung dieser Ziele hat ASEAN diverse Initiativen gestartet, von denen der „Masterplan on ASEAN Connectivity“ sicher die wichtigste ist. Dessen Inhalt legte Lim Chze Cheen, Leiter der Stabsstelle „ASEAN Connectivity“ des Sekretariats in Jakarta, dar. Zentral sei, dass der Plan eine Verknüpfung zwischen dem Ausbau der Transport- und Versorgungsnetzwerke („physical connectivity“) und den relevanten Institutionen anstrebt („institutional connectivity“) und auch den Austausch zwischen den Menschen intensivieren will („people to-people connectivity“). Herausfordernd für die Umsetzung seien jedoch die Aufbringung der nötigen Finanz-
mittel, eine bessere Abstimmung zwischen den Mitgliedern sowie die Verankerung der Integrationsidee bei den Bevölkerungen der betroffenen Staaten.

Nach den Expertenvorträgen standen zwei Themenpanels an. Im ersten Panel unter Leitung des ehemaligen deutschen Botschafters in Indonesien und bei ASEAN, Dr. Norbert Baas, wurde versucht, die einzelnen Facetten der AEC zu analysieren: Zunächst wies Prof. Dr. Jürgen Rüland von der Universität Freiburg darauf hin, dass die ASEAN bei zentralen Indikatoren wie dem Anstieg des intra-regionalen Handels oder der regionalen Vernetzung von Produktionskreisläufen bisher deutlich hinter ihren Zielen zurückgeblieben ist. Das Glas der Integration sei daher eher halbleer.

Dem entgegnete Hannah Levinger von Deutsche Bank Research, dass insgesamt eine markante Dynamik zu erkennen sei und sich etwa die ökonomische Offenheit zwischen den ASEANMitgliedern erhöht habe und die ausländischen Direktinvestitionen angestiegen seien.

Noch viele Hausaufgaben zu erledigen

Konsens bestand darin, dass das Datum Ende 2015 nicht als „hard target“, sondern als Wegmarke gesehen werden sollte. Auch der CEO von PT Semen Indonesia, Dwi Soejipto, stimmte zu, dass es 2015 nicht zum „Big Bang“ kommen werde. Alle ASEAN-Staaten hätten noch Hausaufgaben zu machen. Wie erfolgreiche Integrationsar-
beit aussehen kann, berichtete Andrea Ulbrich von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, die im Rahmen des Beratungsprojektes die ASEAN beim Aufbau einer Qualitätsinfrastruktur (QI) unterstützt.

Trotz einiger Schwierigkeiten komme die Harmonisierung von Normen und Standards in verschiedenen Projektgruppen voran. Einen weiteren Aspekt brachte Roger McNicholas von PwC Singapore ein, der darauf hinwies, dass sich Wachstumspotenziale primär in den Haupt- und Provinzstädten bündeln und zur Einbindung des Hinterlands massive Investitionen nötig seien.

Im zweiten Panel, das von Birgitta von Dresky von Luther LLP in Singapur geleitet wurde, gaben ASEAN-Landesvertreter Auskunft über die Strategien, mit denen das AEC-Projekt zum Erfolg geführt werden soll. Cosette V. Canilao, Exekutivdirektorin des Public-Private Partnership Centre auf den Philippinen, erläuterte die Anreize, mit denen ihre Regierung versucht, private Investoren für Infrastrukturvorhaben zu gewinnen.

Da der Kapitalbedarf ASEAN-weit die verfügbaren Mittel übersteigt, würden die philippinischen Erfahrungen aufmerksam verfolgt. Techa Boonyachai von der Thai National Shippers’ Council (TNSC) erklärte, dass seine Regierung den Konnektivitätsansatz ernst nehmeund für den Ausbau der Transportinfrastruktur erhebliche Gelder bereitstelle, woraus sich auch Geschäftschancen für deutsche Firmen ergeben.

Auch J.S. Meyer Siburian vom Indonesian Investment Promotion Centre (BKPM) in London räumte für sein Land infrastrukturellen Nachholbedarf ein, verwies aber darauf, dass Indonesiens Regierung die nötigen Rahmenbedingungen für eine Beteiligung des Privatsektors geschaffen habe. Er zeigte sich überzeugt, dass eine bessere Infrastruktur infolge der daraus resultierenden Kostensenkungen ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit sei.

Abschließend räumten die drei Vertreter ein, dass der Integrationsprozess zwar von Konkurrenz geprägt sei, es aber das Bestreben gebe, die ASEAN Region gemeinsam nach vorn zu bringen.

 

 

 

Daniel Müller

Daniel Müller ist Regionalmanager ASEAN in der Geschäftsstelle des OAV.

 

 

 

Rainer Rohdewohld

Rainer Rohdewohld ist seit März 2013 als EZ-Scout vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in den OAV entsendet und ist Senior-Berater für Nachhaltige Entwicklung in der Geschäftsstelle.