Offshore-Windenergie in Taiwan – Chancen für europäische Dienstleister und Zulieferer

Die unzureichende Energieversorgung in Taiwan sowie die Überlegung eines Atomausstiegs machen den Übergang zu alternativen Energiequellen unumgänglich. Aufgrund der geografisch günstige Lage bietet sich für Taiwan die Offshore-Windenergie an. Welches Potenzial sich hier für deutsche Unternehmen birgt, erläutern Peko Ku sowie Anton Melchers von der Melchers Trading GmbH.

Am 15. August, einem heißen Sommertag in Taiwan, ist mit wenigen Ausnahmen flächendeckend der Strom ausgefallen. In Folge dessen saßen viele der 24 Millionen Einwohner im Dunkeln und bei vielen Unternehmen standen die Maschinen still, manche für nur wenige Minuten, viele für mehrere Stunden. Dieser Ausfall ist symbolträchtig für die aktuell mangelhafte Stromversorgung in Taiwan, wo Stromgenerierung nur knapp den Bedarf deckt. Da Taiwan, wie auch Japan, auf dem Pazifischen Feuerring liegt, was zu regelmäßigen Erdbeben führt, wurde in Folge des Unfalls in Fukushima der Atomausstieg erwogen. So sollen bis 2025 sämtliche Atomkraftreaktoren vom Netz genommen werden, was die Energiekapazität nur weiter verknappt. Zudem werden über 90 Prozent der Energierohstoffe importiert, was eine starke Abhängigkeit von globalen Rohstoffmärkten und –preisen bedeutet. So ist es nicht nur verständlich, sondern auch alternativlos, die Energiegewinnung in Taiwan zu diversifizieren. Zum Glück hat sich die aktuelle Regierung genau das auf die Fahne geschrieben und u.a. ambitionierte Ziele für erneuerbare Energien gesteckt. Bis 2025 sollen 20 Prozent der Stromerzeugung durch erneuerbare Energie gewonnen werden (in 2016: 5,2 Prozent), um die Differenz zu schließen, die der Atomausstieg hinterlässt.

Seit über zehn Jahren werden Solar- und Windenergie auf dem Land gefördert, erfahren aber durch die geringe bebaubare Fläche ihre Limitation. Taiwan hat ca. die Größe von Belgien und Holland zusammen. Allerdings sind zwei Drittel der Fläche von Bergen und Hügeln bedeckt. So ist der Ausweg auf das Wasser unvermeidbar, zumal Taiwan exzellente Wind- und Bodenverhältnisse vorweist, so dass die Meeresverengung zwischen Taiwan und China weltweit zu den besten Orten für Offshore-Windenergie zählt. Hohe und konstante Winde sowie geringe Meerestiefen (unter 50m) sind ausgezeichnete Voraussetzungen für die Errichtung von Windparks im Meer. Herausforderungen wie häufige Erdbeben oder Taifune (Orkane in Asien) müssen gemeistert werden sind aber keine unüberwindbaren Hürden. Die taiwanische Regierung setzte das Ziel, dass bis 2025 3.000 MW durch Offshore-Windenergie generiert werden sollen. In Deutschland beträgt die aktuelle Kapazität von Offshore-Windenergie ca. 4.800 MW.

Die natürlichen Gegebenheiten und der politische Wille erneuerbare Energie zu fördern, resultieren in einer regen Nachfrage von internationalen Firmen (Betreiber, Finanzierungsgesellschaften, Versicherer, Baugesellschaften, diverse Zulieferer und viele weitere), die entweder selber in Taiwan aufschlagen oder mit einer der zahlreichen Länderdelegationen nach Taiwan zum Thema (Offshore-) Windenergie anreisen. Die Engländer, Dänen und Holländer waren schon diverse Male in Taiwan - die Deutschen bereits drei Mal. Die erste deutsche Delegation wurde in Kooperation des Bremer Wirtschaftssenats, der AHK Taiwan und dem Deutschen Institut Taipei 2016 in Taiwan organisiert. Die zweite Reise fand im Juli 2017 statt und wurde von der AHK Taiwan in Kooperation mit dem OAV, dem Land Baden-Württemberg und dem Deutschen Institut Taiwan durchgeführt, dessen Konferenz mehr als 200 Besucher von taiwanischer Unternehmensseite anzog. Im Oktober reiste die vierte deutsche Delegation an. Diesmal erneut von Bremer Seite mitorganisiert und mit einem stärkeren Fokus auf die Hafeninfrastruktur, die für die Offshore-Windindustrie ein Schlüsselbaustein darstellt.

Ähnlich wie anfangs in Europa verspricht der Gesetzgeber eine aktuell attraktive Einspeisevergütung für Betreibergesellschaften. Variante 1: 0,177EUR/kWh für 20 Jahre; Variante 2: 0,21EUR/kWh für die ersten zehn Jahre und 0,0105 für die darauffolgenden zehn Jahre. Diese im internationalen Vergleich recht hohe Vergütung hat bislang mindestens elf nationale und internationale Betreiber angelockt, die sich aktuell auf 19 der 36 Zonen bewerben. Hierunter sind u.a. DONG Energy (Dänemarks halbstaatlicher Energiekonzern) und die Bremer Firma WPD. Es ist zudem bekannt, dass sich die deutsche EnBW den Markt aktuell genauer anschaut.

In Deutschland beschäftigt die Offshore-Windindustrie ca. 20.000 Mitarbeiter. Im Prinzip gilt, dass das häufig sehr spezifische Know how für Planung, Projektierung, Bau, Betrieb und Wartung (noch) nicht in Taiwan vorhanden ist. Die Offshore-Windindustrie hat vor ca. 15-20 Jahren in Europa Pionierarbeit geleistet, von der Taiwan nun profitieren kann. Es verwundert daher nicht, dass sich in diesem Sektor bereits viele erfahrene Firmen aus Europa in Taiwan um Geschäftsmöglichkeiten bemühen. Erst kürzlich hat Siemens seinen regionalen Hauptsitz für Offshore-Windenergie von China nach Taiwan verlegt. Die belgische Firma Smulders (Stahlbau) hat sich in eine Partnerschaft mit dem Staatsbetrieb China Steel begeben und die Hamburger Beratungsgesellschaft ONP Management (Projektmanagent rund um den Bau von Offshore-Windanlagen), hat bereits mehrere Absichtserklärungen und Rahmenverträge vor Ort abgeschlossen.

Allerdings weht auf dem Meer der Möglichkeiten des Öfteren auch ein rauer Gegenwind. Zum großen Teil beruht die Unsicherheit in der Rolle der Regierung. Nicht nur werden Pläne, Regulierungen und Anreize in regelmäßigen Abständen angepasst, sondern stehen die Interessen der Regierung und eigenen Staatsunternehmen im Widerspruch zueinander. So hat in Taiwan der nationale Energieversorger TaiPower bisher noch ein Monopol auf die Generierung sowie Distribution von Strom. Als Betreiber der bestehenden Kraftwerke ist Taipower nicht begeistert von den neuen Technologien, insbesondere nicht von unternehmensfremden Stromerzeugern, die ihren Strom in staatseigene Netze einspeisen wollen. Die mangelnde Motivation zeigt sich bereits in den nicht ausreichenden Plänen, am Land genügend Einspeisestationen für die Windparks zu errichten – bislang sind nur 50 Prozent der benötigten Strukturen geplant. Dies stellt ein erhebliches Risiko für die Betreiber dar, da sie den Strom zwar produzieren, aber möglicherweise nicht einspeisen können.

Eine weitere Herausforderung ist die meist implizite Förderung und Forderung von „local content“ – der Drang die inländische Industrie so weit wie möglich an den Entwicklungen teilhaben zu lassen. Ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke, inbesondere da Taiwan diesen Zug bei Onshore-Windenergie weitgehend verpasst hat. Allerdings tragen diese Forderungen häufiger das Gewand von Protektionismus und staatlicher Einmischung in das Wirtschaftsgeschehen. Ein Beispiel hierfür ist das Entscheidungsmodell des Ministeriums für Wirtschaft, den Anschluss an die knappen Einspeisestationen (siehe oben) zu regeln. Diejenigen Betreiber, die die meisten Punkte erzielen, dürfen sich mit Priorität an das Netz anbinden. Ca. 40 Prozent der Punkte sind verbunden mit der lokalen Beschaffung von Komponenten, insbesondere Herkunft der montierten Turbine. Ein nicht ganz marktfreundlicher Zug, der sich möglicherweise auch nicht mit den gesteckten Kapazitätsplänen deckt.

Selbstverständlich gibt es genügend Bereiche, in denen eine lokale Beschaffung wirtschaftlich sinnvoll ist, inbesondere bei den Stahlfundamenten und –türmen. Hier haben sich lokale Firmen bereits in Position gebracht und arbeiten teilweise mit europäischen Partnern zusammen (siehe oben China Steel & Smulders). Ein weiteres Gebiet ist das Operation & Maintenance (O&M), für das sich der staatliche Betrieb China Shipbuilding Company (CSCB) vorbereitet, der für die diversen Disziplinen Ausbildungsprogramme und –stätten plant.

Bereiche, in denen ausländische, vor allem erfahrene europäische Firmen Chancen ergreifen können, befinden sich in den vielen Nischenbereichen, die besonders viel Erfahrung, Spezialwissen und -werkzeug erfordern. In der Phase vor sowie in der Inbetriebnahme umfasst dies u.a. Dienstleister in den Gebieten Konzeptionierung von Windparks, Wirtschaftlichkeitsberechnung, bauliches Projektmanagement, Interface- und Vertragsmanagement, Zertifizierungsmanagement, Mitarbeiterschulung/ -ausbildung (insbesondere in den Bereichen Arbeitssicherheit), Herstellung und Verlegung der Unterwasserkabel, logistische Abwicklung an Land und See sowie Errichtung der Winparkanlagen. In der Phase nach der Inbetriebnahme kommen Unternehmen aus den Bereichen: Besatzungstransportschiffe (Herstellung und Betreiber) sowie Wartung & Reparatur der Anlagen als auch Dekommissionierung in Betracht.

Kein Markt ist perfekt und der aufstrebende Markt für Offshore-Windenergie in Taiwan stellt keine Ausnahme hierzu dar. Die geotechnischen und politischen Herausforderungen werden durch die richtigen und ambitionierten Ziele und Möglichkeiten des Erfahrungsvorsprungs europäischer Firmen mehr als wettgemacht. Während der Markt für Offshore-Windenergie in Europa (insbesondere Deutschland) zunehmend gesättigt ist, zeigen sich aktuell nirgendswo mehr Möglichkeiten für diese Industrie als in Taiwan. So stellt sich für europäische Dienstleister und Zulieferer dieser Branche nicht die Frage ob, sondern wie man diese Chancen ergreift.


Peko Ku

Peko Ku leitet die Abteilung „Offshore Wind“ bei Melchers Taiwan. Ihre Aufgabe besteht darin, europäischen Dienstleistern und Zulieferern den Weg nach Taiwan zu ebnen. Dies beinhaltet Markststudien und Unternehmensbesuche, zielt aber auf eine langfristige Partnerschaft (z.B. als Agent oder Repräsentant) mit dem jeweiligen Unternehmen ab.

Kontakt: peko.ku@melchers.com.tw


Anton Melchers

Anton Melchers leitet die Niederlassung Taiwan des Bremer Unternehmens Melchers & Co., welches seinen Ursprung im Handel hat. Das Unternehmen tritt heutzutage als Marktpartner für Unternehmen auf, um gemeinsam Märkte und Kunden zu erschliessen.

Kontakt: anton.melchers@melchers.com.tw