Zugpferd Asien – eine der wichtigsten Exportregionen für deutsche Medizintechnik

Medizintechnik aus Deutschland ist weltweit gefragt. Mit ihrem Auslandsgeschäft generieren die Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft eine veritable Wertschöpfung am Standort Deutschland und schaffen zusätzliche Arbeitsplätze. Dabei bieten vor allem auch die Emerging Markets in Asien-Pazifik den Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft gute Absatzchancen – nicht nur aktuell, sondern auch in den kommenden Jahren.


Dank vorteilhafter demografischer, wirtschaftlicher und technologischer Entwicklungen zeigt der Weltmarkt für Medizintechnologien kontinuierlich hohe Wachstumsraten. Der World Preview 2018 von EvaluateMedTech prognostiziert, dass der Gesamtmarkt im Jahr 2024 rund 545 Mrd. USD betragen wird, was einer jährlichen Steigerung von rund 5,6 % entspricht. Die hohe Relevanz der Auslandsmärkte für deutsche Unternehmen belegen die Kennzahlen der Branche: Mit einer Exportquote von knapp 64 % sind die wichtigsten Zielmärkte überwiegend außerhalb des Heimatmarktes zu finden – mit Asien-Pazifik als wichtigster außereuropäischer Zielregion. In Asien werden zudem die im weltweiten Vergleich höchsten Wachstumsraten von rund 6,6 % in den kommenden Jahren erwartet. Positive Trends bestehen in Asien vor allem im digitalen Gesundheitsmarkt. Länder wie China und Indien haben diese Themen auch seitens des Staates besetzt – hier nimmt etwa E-Health in Regierungsüberlegungen einen immer höheren Stellenwert ein. Digitalisierungsstrategien fließen in der öffentlichen Planung gleichfalls im Bereich des Gesundheitswesens ein. Telemedizin und smarte Anwendungen sind vor allem in Asien ein sich rasant entwickelnder Bereich, da hier durch eine oftmals gute digitale Infrastruktur und die Offenheit gegenüber digitalen Technologien günstige Voraussetzungen für die Entfaltung dieser Zukunftstechnologien bestehen.

China bietet einen enormen Markt mit vielen Herausforderungen
China ist der mit Abstand größte Markt der Region mit einem Volumen von aktuell rund 65 Mrd. USD, wobei bis 2023 ein Wachstum auf rund 104 Mrd. USD erwartet wird. Damit nähert sich China weiter dem globalen Spitzenreiter USA an. China investiert weiter kräftig in sein Gesundheitssystem. Im Jahr 2018 wurden pro Kopf statistisch nur rund 45 USD für Medizintechnik ausgegeben – steigende Löhne und ein höherer Anspruch an eine umfassende Gesundheitsversorgung werden die Ausgaben jedoch beflügeln. China fokussiert sich vor allem auf eine großflächige Versorgung der Bevölkerung mit einem Schwerpunkt auf die ländlichen Gebiete. Die Regierung verfolgt bis 2020 ein spezielles Programm zur Verbesserung der Kreiskrankenhäuser, investiert in E-Health-Projekte und Altenpflege, aber auch in den Ausbau der Vorsorge. Staatlich kontrollierte Krankenhäuser stellen knapp 76 % der Betten, jedoch holen private Einrichtungen auf. Diese Faktoren tragen zu einem steigenden Bedarf an Medizintechnik und therapeutischen Geräten bei. Durch zahlreiche Vorgaben der Regierung wird die Marktbearbeitung indes sukzessive erschwert. Die Themen Cybersecurity, Technologietransfer, ein langwieriger und aufwendiger Zulassungsprozess sowie fortschreitende Lokalisierungsvorgaben bei öffentlichen Ausschreibungen sind einige der Aspekte, die für Unternehmen herausfordernd sind. Interessant könnte es aufgrund dieser steigenden Herausforderungen sowie der andauernden Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA und den damit verbundenen erhöhten Zollabgaben sein, auf weitere attraktive Märkte in Asien zu blicken, um sich dort strategisch zu positionieren.        

Indien hat einen hohen Bedarf an moderner Ausrüstung     
Indien bietet ebenfalls gute Absatzchancen, wenngleich auch auf deutlich niedrigerem Niveau. Die dortigen Pro-Kopf-Ausgaben für Medizintechnik lagen 2018 bei nur rund 4 USD, lassen aber eine positive Tendenz erkennen. Insgesamt wird Indien als einer der dynamischsten Absatzmärkte für Medizintechnik eingeschätzt. Dabei werden Umsatzzuwächse von 12 bis 15 % jährlich erwartet. Im Hochpreissegment muss Indien seinen Bedarf noch weitgehend über Importe decken – dabei dominiert der Wunsch nach passend zugeschnittenen, bezahlbaren Lösungen. Das Marktvolumen belief sich 2018 auf rund 5,2 Mrd. USD, bis 2023 ist laut Experten mit einer Steigerung des Volumens auf rund 9,2 Mrd. USD zu rechnen. Indien tätigt hohe Investitionen in den Gesundheitssektor, wobei Bedarfe vor allem in der bildgebenden Diagnostik – wie Ultraschall, MRTs, CT-Systemen etc. – sowie im Bereich OP-Ausrüstungen identifiziert werden. Auch Medizintechnik in der Augenarzt- und Dentalpraxis und chirurgische Instrumente gehören laut den Analysten von Frost & Sullivan zu den größten und am schnellsten wachsenden Marktsegmenten. Dabei ist Indien ein Markt, der stark von privaten Anbietern dominiert wird – weit über die Hälfte aller Fachärzte, Apotheken und Kliniken sind im Privatsektor angesiedelt. Bekannte Ketten in Indien sind z. B. die Fortis Healthcare Group oder Apollo Hospitals, aber auch andere private Anbieter investieren kräftig: Schätzungen zufolge werden zukünftige Investitionen in Indien zu über 80 % im Privatsektor erfolgen. Die höchste Konzentration an Gesundheitseinrichtungen liegt dabei in den südlichen Landesteilen. Auch die wachsenden Besucherströme von Medizintouristen beflügeln das Wachstum des privaten Sektors. Indien hat zum 1. Januar 2018 ein eigenes Zulassungssystem „Medical Devices Rules“ eingeführt, das den Marktzugang für Medizinprodukte reguliert. Die neuen Regeln schaffen Erleichterungen bei der Beantragung von Lizenzen und Genehmigungen. Die Klassifizierung und das Ursprungsland der Medizinprodukte entscheiden über Umfang der Nachweispflichten und der behördlichen Auflagen für Importeure und Hersteller. Viele Unternehmen beklagen, dass eine Marktbearbeitung aufgrund der Größe und kulturellen Besonderheiten schwierig ist. Die im Markt etablierten Unternehmen setzen stark auf lokale Mitarbeiter, die diesen Herausforderungen begegnen können und die regelmäßig geschult werden, um der üblicherweise hohen Mitarbeiterfluktuation zu begegnen. Über das „Make it in India“-Programm der Regierung erhalten deutsche Unternehmen die Möglichkeit, sich zum Markteintritt beraten zu lassen.  

Vietnam öffnet sich für den Privatmarkt           
Vietnam ist Mitglied der WTO und regionaler Foren, einschließlich der Vereinigung der südostasiatischen Nationen (ASEAN). Perspektivisch erschließt sich mit diesem Wirtschaftsraum ein Markt mit rund 630 Millionen Einwohnern. Auch die Harmonisierung der Medizintechnikzulassung wird in der ASEAN-Freihandelszone angestrebt, wobei die Fortschritte bisher stark hinter den Erwartungen zurückbleiben. Vietnam selbst zeigt ein hohes Wirtschaftswachstum mit großen Fortschritten auch im Ausbau des überwiegend staatlich strukturierten Gesundheitssystems. Mit rund 1100 staatlichen Krankenhäusern (Erhebung von 2016) ist Vietnam entsprechend dem Entwicklungsstand des Landes recht gut ausgestattet, allerdings fehlt es vielerorts noch an Technik und Ausrüstung für Diagnosen, Operationen und Pflege. Der Anteil des Privatsektors ist mit rund 230 Einrichtungen derzeit noch gering – aber das Land öffnet sich zunehmend privaten Investoren. Herausforderungen sehen Hersteller oft bei der Wartung der Geräte. Wie in den meisten asiatischen Ländern auch, mangelt es überdies an Gesundheitsinstitutionen in ländlichen Regionen. Für Medizintechnikanbieter bestehen gute Wachstumsaussichten: Die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben konnten in den letzten 10 Jahren nahezu vervierfacht werden – auf rund 159 USD pro Kopf im Jahr 2016 – wobei keine Zahlen zur Medizintechnik vorliegen. Als Produktionsstandort für Hersteller medizinischer Geräte ist Vietnam eine interessante Alternative zu anderen Märkten der Region Asien- Pazifik, das Land ist aktuell dort der neuntgrößte Markt für Medizintechnik. Fitch Solutions und BMI prognostizieren, dass der Markt für Medizintechnikprodukte zwischen 2018 und 2022 jährlich um etwa 10 bis 11,3 % anwachsen und das Gesamtvolumen bis 2022 auf 1,9 Mrd. USD steigen wird. Die wichtigsten Importbereiche für Medizintechnik sind vor allem bildgebende Diagnostik, Operationssäle und Notfallmedizin, welche fast ausschließlich von Importen abgedeckt werden. Auch in Vietnam ist die Zulassung von Medizintechnik zentral reguliert: Seit dem 1. Juli 2016 ist die Abteilung für medizinische Geräte und Gesundheitseinrichtungen (Department of Medical Equipment and Health Works, DMEHW), welche dem Gesundheitsministerium untersteht, die zuständige Aufsichtsbehörde für die Registrierung und Zulassung aller medizinischen Geräte im Land. Grundsätzlich wird in Vietnam der hohe bürokratische Aufwand für den Marktzugang bemängelt, der die Marktattraktivität einschränkt. Auch die Volatilität der Währung ist eine Herausforderung für Unternehmen.


Jennifer Goldenstede leitet die Bereiche Außenwirtschaft und Exportförderung bei SPECTARIS.