Rolle der Staatsunternehmen und Buy Chinese Policy – Zur Novelle des chinesischen Government Procurement Law

22.08.2022

SNB Law, August 2022:

Am 16. Juli 2022 hat das Ministerium für Finanzen der Volksrepublik China („MOF“) einen zweiten Entwurf
(„Entwurf“) zur geplanten Novelle des PRC Government Procurement Laws („GPL“) vorgelegt.
Vorausgegangen war ein erster Entwurf Ende 2020 („Vorentwurf“), der von der Mehrheit ausländischer
Kommentatoren für seine mangelnde Vereinbarkeit mit den Forderungen des sogenannten Government
Procurement Agreements der Welthandelsorganisation („WTO-GPA“) gerügt wurde.

Der vorliegende Entwurf präsentiert sich zwar als ein in sich geschlossenes Gesetzeswerk zur Regelung des
öffentlichen Beschaffungswesens. Internationale Erwartungen, die in die Modernisierung des GPL gesetzt
wurden, werden aber nur bedingt erfüllt.

1. Öffentlicher Auftraggeber

Dies betrifft zum Ersten die Definition des Begriffs “öffentlicher Auftraggeber“. Lange Jahre bestand die
Hoffnung, China würde in dieser Beziehung seine staatseigene Industrie dem Anwendungsbereich des
GPL unterstellen. Dies hätte nicht nur einen Quantensprung für das öffentliche Beschaffungswesen
chinesischer SOEs bedeutet, welches dadurch verrechtlicht und transparenter geworden wäre. Die
Einbeziehung von SOEs würde auch im Einklang mit den Forderungen des WTO-GPA stehen, dem China
seit seiner Aufnahme in die WTO im Jahr 2001 beitreten sollte, was es aber seit zwei Jahrzehnten durch
mehr oder minder unbedeutende Beitrittsangebote geschickt hinauszögert. Nach Art. 12 des Entwurfs ist
das neue GPL auf staatliche Organe (wie z.B. Ämter und Behörden), öffentliche Versorgungsanstalten (wie
Krankenhäuser und Universitäten), soziale Organisationen (wie die kommunistische Jugendorganisation
und Handelskammern) und sonstige „Beschaffungseinheiten“ anzuwenden. Als letztere gelten nach dem
Entwurf diejenigen Staatsbetriebe, die in Verfolgung öffentlicher Aufgaben zum Allgemeinwohl öffentliche
Infrastruktur bewirtschaften oder öffentliche Netzwerkdienstleistungen erbringen. Der genaue Umfang
dieser Definition lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehen. Allem Anschein nach ist
damit jedoch der Betrieb von Wasser-, Energie-, Verkehrs-, Telekommunikation- und Internetnetzwerken
in Form von Staatsbetrieben gemeint.

Dies würde im Vergleich zum Vorentwurf zwar ein merkliches Plus darstellen. Gerade im Eisenbahn- und
Flug(hafen)bereich ist nämlich zurzeit ein Trend festzustellen, nach dem staatliche Aufgaben an SOEs
ausgelagert werden, die ihrerseits nicht dem GPL unterliegen. Ob dieser Trend von der Bestimmung des
Art. 12 wirksam durchbrochen wird, wird im Einzelnen von Ausführungsvorschriften abhängen In der Praxis
ist jedoch zu befürchten, dass der Kreis der Beschaffungseinheiten eng gezogen wird und sich kaum von
der Legaldefinition des Art. 12 unterscheidet.

2. Buy-Chinese Policy

Gemäß Art. 23 des Entwurfs hat die Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung grundsätzlich zu dem
Ergebnis zu führen, dass chinesische Waren, Projekte und Dienstleistungen bezogen werden. Eine
Ausnahme greift nur ein, wenn Waren, Dienstleistungen und Projekte in China nicht erhältlich sind, oder
nur zu unvertretbaren Bedingungen bezogen werden können. Dies war bis dato bereits geltendes Recht
und ist auch im Vorentwurf so vorgesehen. Der Entwurf setzt allerdings noch „eins drauf“, indem er
bestimmt, dass bei Erreichen der entsprechenden Mehrwertrelationen sowie Erfüllung aller sonst
anwendbarer Bedingungen in China hergestellte Waren, gleichsam zwingend, mit Vorrang zu bewerten
sind. Eine abschließende Definition des Begriffes „chinesischer” bzw. „in China hergestellter Waren“ ist nach
wie vor nicht in dem Entwurf enthalten. Damit bleibt unklar, ob Waren und Dienstleistungen ausländisch
investierter Unternehmen in China völlige Gleichberechtigung bei Ausschreibungen genießen. Im Ergebnis
kann dies dazu führen, dass die Unklarheit bereitwillig zu Lasten ausländischer und ausländisch-investierter
Unternehmen ausgelegt werden.

3. Nichtanwendbarkeit des GPL aus Gründen der Staatssicherheit und zum Schutz von
Staatsgeheimnissen


Eine entsprechende Ausnahme war im Vorentwurf in Art. 142 enthalten. Sie findet sich im vorliegenden
Entwurf zwar nicht mehr. Vielmehr legt Art. 24 fest, dass im Falle von Vertraulichkeitsbedenken einem nicht
öffentlichen Verfahren der Vorzug zu geben ist. Das Erfordernis einer Sicherheitsprüfung ist aber nach wie
vor in Art. 24 enthalten. Allerdings bestimmt die Vorschrift nicht, wie zu verfahren ist, falls die besagte
Sicherheitsprüfung zur Annahme von Sicherheitsbedenken führt. Vorbehaltlich ausdrücklicher Regelung
ist zu vermuten, dass in diesem Fall die Durchführung eines öffentlichen Bieterverfahrens nach wie vor
unterbleibt.

4. Gesamtbewertung

Insgesamt stellt der Entwurf für ausländische und ausländisch-investierte Unternehmen lediglich eine
geringfügige Verbesserung dar. Ausländische und ausländisch-investierte Anbieter kommen nicht darum
herum, ihre öffentlichen Absatzkanäle zu überdenken und den institutionalisierten Gegebenheiten
Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang beraten wir Sie natürlich gerne.

Bitte zögern Sie nicht uns zu kontaktieren, falls Sie Fragen zu den oben dargestellten Themen haben:
snb@snblaw.com

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